Gemeinde. Gemeinschaft. Gemeinsinn!
Sehr geehrter Herr Bürgermeister Csaszar,
sehr verehrte Damen und Herren der Verwaltung und des Gemeinderates,
verehrte Bürgerinnen und Bürger,
am 16. März 2022 hat die Bundesregierung ihren diesjährigen Haushalt auf den Weg gebracht. „Sie tat das in dem Bewusstsein, dass die Zahlenwerke bald wieder Makulatur sein dürften!“, so kommentiert die Heilbronner Stimme am 17. März, und beschreibt damit nachvollziehbar das Szenario, in dem sich nicht nur der Bund, sondern auch das Land und die Kommunen derzeit befinden.
Sicherlich gibt es Eckpunkte, die uns in der kommunalen Arbeit die dringend gebotene Orientierung bieten, die Abarbeitung kommunaler Pflichtaufgaben gehört dazu oder die Projekte, für die uns bereits Förderungen von öffentlicher oder privater Hand zugesagt wurden.
Gerade jetzt müssen Verwaltung und Stadtrat Verantwortung, Gestaltungswillen und Kreativität beweisen – in Sachen Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sollte die Stadt als Vorbild agieren und diese als Querschnittsaufgabe bei allen Entscheidungen und Aufgaben im Blick haben.
Die finanzielle Haushaltslage haben Bürgermeister Csaszar und Kämmerer Jörg Leonhardt und sein Team nach zwei harten Corona-Jahren schlüssig erläutert.
Kurz und knapp auf den Punkt gebracht: Aufwendungen und Ausgaben in Höhe von rund 60 Millionen. Allerdings geben wir mehr aus, als wir einnehmen. Es bleibt ein Jahresfehlbetrag von 4,6 Millionen. Immer noch positiv: Brackenheim lebt von seiner Substanz und ist damit weiterhin schuldenfrei. Gelingt es uns allerdings in den kommenden Jahren nicht, den Haushalt ausgeglichen zu gestalten, ist spätestens 2025 der Sparstrumpf leer.
Als Flächenstadt hat Brackenheim mit hohen Investitionen und Abschreibungen für infrastrukturelle Maßnahmen zu kämpfen. Bildung und Betreuung sind für unsere Gemeinschaft ebenso wichtig wie zukunftsorientierte Investitionen in die Wohnbauentwicklung. Im Tiefbau ist mit hohen Ausgaben für die Ertüchtigung von Regenüberlaufbecken oder auch für die Erneuerung von Straßen, wie z.B. der Schießrainstraße zu rechnen. Alle Einzelmaßnahmen können im Haushaltsplan oder auch in den Veröffentlichungen von Kämmerer und Bürgermeister en Detail nachgelesen werden.
Aber allen sorgfältigen Berechnungen zum Trotz: Die Unwägbarkeiten, die die pandemische Krise mit sich gebracht hat, wird durch die unsägliche Kriegssituation vor unserer Haustür noch getoppt. Niemand weiß, wie lange dieses Kriegsgeschehen noch andauern wird. Niemand weiß, wie sehr die europäischen Märkte, die regionale Wirtschaft und auch unsere Bürgerschaft durch diese groteske Situation in Mitleidenschaft gezogen werden. Wer mag hier angesichts explodierender Energiebepreisung und den damit verbundenen Markteinflüssen noch Prognosen wagen über die Gewerbesteuer- und Einkommenssteuereinnahmen der nächsten Jahre? Welchen Flüchtlingsstrom werden wir in unserer Stadt bewältigen müssen? Können wir uns bei den anstehenden Herausforderungen durch eine noch nicht überstandene Pandemie, eine angestrebte Energiewende, eine Flüchtlingskrise auf eine auskömmliche Unterstützung durch Bund und Land verlassen?
Wir werden sehen!
Wir leben in einer Gemeinschaft. Viele von uns hat eine über zwei Jahre andauernde Pandemie zermürbt. Nicht wenige haben die Auswirkungen der Krise finanziell zu spüren bekommen – die emotionalen Spuren sind in allen Altersgruppen sichtbar.
Jetzt noch dieser Krieg – wie sieht unser Handeln in der Krise aus?
Als Stadtverwaltung: Auf das Wesentliche konzentrieren, Pflichtaufgaben erfüllen, Funktionsfähigkeit aller Aufgabenbereiche erhalten.
Als Bürger: Zusammenrücken. Gemeinsinn leben. Kritikfähig sein aber gleichzeitig fair. Berechtigte Leistungen einfordern, aber auch freiwillig und verantwortungsbewusst aktiv werden.
Gemeinsam – neue Ideen im Wohnungsbau entwickeln!
Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist unbestritten. Um den Druck auf Ressourcen und Fläche zu vermindern, darf dieser aber nicht vorwiegend im Neubau entstehen. Wohnraum muss sich vor allem im Bestand entwickeln.
Was können wir als Gemeinde tun?
- Erstellung eines Leerstandskatasters
- Kontinuierliche Bemühungen zur Erschließung unbebauter Grundstücke durch Ansprache der Eigentümer und offensive Öffentlichkeitsarbeit
- Wo Baurecht besteht, einheitliche Vorgaben zum Klimaschutz (hohe Energieeffizienz sowie nachhaltige und gesunde Baustoffe) und Sozialbindung (Prozentualer Anteil an gefördertem Wohnraum mit langfristiger Bindung)
- Unterstützung von Alternativen Wohnformen durch Bereitstellung von entsprechenden Grundstücken in Neubaugebieten oder im Bestand, insbesondere für Genossenschaften
- Wo sinnvoll – Erbpacht statt Verkauf von Grundstücken
- Ressourcen-Schonung durch Nachverdichtung: Brackenheim setzt sich aktiv für die Schließung von Baulücken (über 150) und die maßvolle Nachverdichtung in bestehenden Gebieten ein. Doch die Vielzahl (über 100) an unterschiedlichen, oftmals veralteten Bebauungsplänen und der Unwille von Anwohnern, die jedwede Veränderung strikt ablehnen, erschweren diese Aufgabe immens.
- Überprüfung veralteter Bebauungspläne: Wie kann zusätzlicher Wohnraum (z.B. durch Aufstockung/Erweiterung) im maßvollen Umfang geschaffen werden?
- Frische Ideen wagen: z.B. von Architekturstudenten, die sich im Rahmen von Projektarbeiten an der nachhaltigen Überplanung von Altgebieten versuchen und uns neue Möglichkeiten aufzeigen. Nur durch transparente Auf-/Bearbeitung kann es gelingen, die Anwohner mitzunehmen und den Investitionswilligen im Vorfeld klar zu machen, wie eine maßvolle Nachverdichtung aussehen kann!
Gemeinsam – Mobilität sparsam aber praxistauglich gestalten!
Mobilität ist unverzichtbarer Teil des täglichen Lebens. Verkehr ist jedoch auch einer der größten Verursacher von Treibhausgasen. Erforderlich für die dringend notwendige Mobilitätswende sind gute Alternativen zum eigenen Auto. Insbesondere im ländlichen Raum stellt dies eine besondere Herausforderung dar und bedarf nachhaltiger und praxisnaher Lösungen.
Was können wir als Gemeinde tun?
- Carsharing-Angebote nutzen
- Kontinuierlicher Ausbau der Rad- und Fußwege
- Planung von Neubaugebieten mit hoher Priorität Fußgänger und Radfahrer
- ÖPNV weiter ausbauen insbesondere bei der Anbindung der Stadtteile und Gewerbegebiete als interkommunale Aufgabe
- Kommunale Anreize zur Nutzung des ÖPNV à Ideen entwickeln mit HNV, z.B. Ticketgutscheine bei städtischen Präsenten etc.
- Ergänzung durch „On-Demand-Angebote“ wie Bürgerbus, Rufbus oder Sammeltaxi
- Bewusstseinsbildung durch Öffentlichkeitsarbeit
- Unterstützung (auch interkommunal) der Reaktivierung der Zabergäubahn
Gemeinsam – dem demographischen Wandel als „sorgende Gemeinschaft“ begegnen!
Die demografische Entwicklung erfordert in der Altenhilfe eine veränderte Blickweise. Es geht darum, dass wir uns in unserer Gemeinde insgesamt damit auseinandersetzen, welche Lebensbedingungen geschaffen werden müssen, damit – neu alte- (Jahrgänge 1950 und Jüngere), behinderte und alleinlebende Menschen möglichst lange selbständig leben können.
(Statistik für Brackenheim; 2020 19,1%, 2030 24,7% und 2035 27,3% Senioren Anteil der Bevölkerung)
Dies betrifft sowohl alternative Wohnkonzepte als auch eine adäquate wohnortnahe ärztliche Versorgung, eine ansprechende Einkaufslandschaft und attraktive Freizeitangebote – und bei Bedarf – angepasste Assistenz.
Gemeinsam – die Digitalisierung als Chance begreifen!
Die Schaffung der notwendigen Infrastruktur zur Digitalisierung haben wir angestoßen – bis Ende 2023 soll es in Brackenheim flächendeckend ein schnelles Glasfasernetz geben.
Aber nun muss die Verwaltung daran arbeiten, das digitale Angebot für die Bürgerschaft kontinuierlich zu erweitern, indem z.B. Behördengänge digital erledigt werden können.
Eine jährliche Bestandsaufnahme sollte widerspiegeln, dass wir uns kontinuierlich – auch digital –verbessern.
Gemeinsam – groß denken – interkommunal!
Kommunen müssen mehr zusammenarbeiten und in regionalen Strukturen denken und handeln. Fördermittel sollten dementsprechend verstärkt für regionale Projekte, die mehreren Kommunen zu Gute kommen, eingesetzt werden, so dass ein Konkurrieren um die unterschiedlichen Programme gehemmt wird.
Gemeinsam – die Umwelt für die nächste Generation bewahren!
Aktuell zeigt sich deutlich – wir müssen die Energiemengen, die wir für Raumwärme & Warmwasser
verbrauchen, reduzieren und dazu mehr erneuerbare Energien und bisher ungenutzte Abwärme einsetzen. Dazu müssen wir Strategien entwickeln, wie wir in der Kommune diese Energie dezentral zur Verfügung stellen können. Der Weg zu einer klimaneutralen Wärmeversorgung ist ein Baustein zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung! Dieser Ansatz muss bei Neu-/Überplanung von Baugebieten und auch einzelnen Bauwerken berücksichtigt werden.
Nur ein Beispiel – Krippe-Neubau in Hausen:
Hier sind Ausgaben von rund 5 Mio. Euro vorgesehen. Wir fordern einen Kostenvergleich zwischen der bisher angedachten Variante und einer Ausführung als Null-Energie-Neubau.
Gemeinsam – Gastronomie und Einzelhandel vor Ort unterstützen!
Die Corona-Pandemie hat dem schon vorher boomenden Onlinehandel Flügel verliehen. Wie kommen wir zurück aus dieser internetbasierten Kaufrauschblase hinein in unsere attraktiven Innenstädte? Jeder Bürger entscheidet mit seinem Einkaufsverhalten selbst, ob er einen Handel vor der Haustür schätzt oder in Zukunft ausschließlich auf Online-Angebote angewiesen sein will.
Mit der Weinzeit im Schloss und der Gestaltung der Obertorstraße im Dreiklang „WeinZeit, Theodor-Heuss-Museum, Tourist-Info“ wollen wir einen wichtigen Impuls für die Attraktivität der Innenstadt setzen. Dieser Impuls muss zukünftig die gesamte Innenstadt miteinbeziehen.
Was können wir als Gemeinde tun?
- Gestaltungssatzung, die die Attraktivität der Innenstadt sichert
- Freiräume für die Gastronomie aber auch Verweilräume für Anwohner und touristische Besucher schaffen, die wir gerade im Zuge der WeinZeit erwarten
- Mit der Bevölkerung Ideen entwickeln für die kreative Nutzung von Leerständen z.B. durch Zwischennutzungen oder Pop-Up-Konzepte
- Gestalterische Anbindung der relativ neuen Verkaufsflächen des Activ-Carrés an die historische Altstadt
Gemeinsam – den Wirtschaftsstandort stärken!
Eine Kommunikation des Stadtrates mit den Wirtschaftsunternehmen unserer Region findet quasi nicht statt. Wollen wir denn gar nicht wissen, wie Unternehmen mit den großen Herausforderungen, Pandemie, Fachkräftemangel, Energiewende – und Rohstoffknappheit umgehen?
Was können wir als Gemeinde tun?
Im Rahmen der Wirtschaftsförderung ein gemeinsames Forum wiederbeleben! Zumindest die Initiative könnte von der Stadt ausgehen, die Ausgestaltung liegt dann in der Verantwortung der Unternehmen.
Gemeinsam – handeln für die nächste Generation!
Es ist schon paradox – in der Zeit, in der Kinder und Jugendliche uns aufgrund der Pandemie am dringendsten brauchen – sind wir am wenigsten für sie da.
Sicher, Kindergärten und Schulen habe ihr Möglichstes getan, um ein funktionsfähiges System aufrechtzuerhalten. Zahlreiche Angebote professioneller oder ehrenamtlicher Unterstützung sind aufgrund der Corona-Verordnungen allerdings weggefallen.
Was können wir als Gemeinde tun?
Bilden wir unsere Netzwerke neu, die zusammenstehen können, um Kinder und Jugendliche zu fördern. Bündeln wir unsere Kräfte erneut mit professioneller Expertise und ehrenamtlichem Engagement. Mit dem Runden Tisch, der Jugendkommunalkonferenz, unseren Migrationsbeauftragten, den Arbeitskreisen zu verschiedenen Themen, den Gesprächskreisen in allen Stadtteilen, den Kirchen, den zahlreichen Vereinen, Stiftungen und Serviceorganisationen sind wir im Grunde gut aufgestellt, um verantwortungsvoll durchzustarten. Wir müssen unsere Potenziale zu nutzen wissen!
Nur mit Gemeinsinn wird aus einer Gemeinde eine Gemeinschaft – wir brauchen sie mehr denn je!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Ihre Liste21: Ute Frank, Peter Luboeinski, Martina Reese, Katica Schilling
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